Erntedank:   
Mehr als Folklore    

Ach, was war der Sommer schlecht für die Landwirtschaft... Und was soll’s? Gefreut haben wir uns doch alle über den schönen Sommer und trotzdem haben wir genug zu essen. Nun gut, manches Gemüse ist vielleicht etwas teurer, aber das fällt bei allem Ärger über Maut und Dosenpfand und privatem Zahnersatz kaum noch ins Gewicht. Außerdem muß doch auch die Landwirtschaft irgendwie über die Runden kommen.
Und – wir nehmen es für selbstverständlich, daß es so ist. Wir bezahlen ja für unsere Lebensmittel.
Niemand von uns mag sich vorstellen, wie es wäre, wenn beim Bäcker oder im Supermarkt die Regale mal nicht gefüllt wären.
Für das Selbstverständliche "Danke" zu sagen, wird kaum jemandem in den Sinn kommen.
Das Erntedankfest sollte mehr sein als ein folkloristisches Dekorationsereignis. Die Früchte, die wir zur Kirche tragen – ganz gleich, ob gekauft oder aus den heimischen Garten – sollten nicht in einer Reihe stehen mit Tannenzweigen, Osterhasen, Herbstlaub und Halloween-Kürbissen. Sie sollten etwas von dem sein, was wir im Innersten unseres Herzens tragen. Sie sollten etwas von der Freude zeigen, die wir spüren, wenn wir – durstig – in einen saftigen Apfel beißen... Wenn wir auf der Kirmes bei allen Düften und Gerüchen den Hunger mit einem herzhaften Fischbrötchen stillen... Wenn wir mit der Familie oder mit Freunden auswärts essen gehen. Sie sollten uns lehren, daß wir diese Freuden nicht haben, weil wir für sie bezahlen, sondern weil da einer ist, der wachsen und gedeihen ließ.

 


(C) 2003 Heribert Ester