6. Osterwoche:   
Begreiflichkeiten    

Wahrscheinlich geht es Ihnen auch so, daß sie die Sonnenstrahlen der letzten Tage so richtig genießen und Sie – wie die Knospen an den Bäumen – so richtig aufblühten, als es um den Ersten Mai endlich warm und hell wurde. Ähnliches werden die Menschen in der Nähe Jesu gespürt haben. "Alle Mauern – tot und hart – werden weich und fließen..." hat Wilhelm Willms die Wirkung Jesu auf die Menschen in einem Lied ausgedrückt.
Unsere Alltagserfahrung ist da oft anders. Trotz unseres Glaubens, trotz Gemeinde und Gottesdienst, trotz Gebet und Sakramenten überwiegt an manchen Tagen oder in manchen Lebensphasen das Dunkel.
Wenn ich daran denke, wie ich wohl die kommenden Monate in unseren drei Gemeinden erleben werde, sehe ich zunächst auch nur wenig Licht. Vieles, was wir in all den Jahren gewohnt waren, wird nicht mehr zu leisten sein, und ich befürchte, daß die Bereitschaft, mit diesen Einschränkungen zu leben. in der Gemeinde nicht überschwänglich sein wird. Und das wahrscheinlich um so mehr, je weiter die Menschen sich bereits aus der Mitte der Gemeinde entfernt haben.
Das Licht macht die Dinge augenscheinlich. Wer mit und in der Gemeinde lebt, hat es auch leichter, die Zeichen der Zeit mit klarem Blick zu erkennen. Auch wenn Jesus uns nicht greifbar ist, sein Licht verläßt uns nicht, und selbst wenn wir in Zukunft auf einen Priester verzichten müssen, der uns von diesem Licht gekündet hat, es sind immer noch Menschen da, die auch dieses Licht weitergeben. Darauf vertraue ich. Das macht mir Mut.


(C) 2001 Heribert Ester