Palmsonntag:   
Am Boden zertsört    

Immer noch habe ich den beeindruckenden Ritus in Erinnerung, der sich früher an die Abendmahlsfeier am Gründonnerstag anschloß: Nach der Übertragung des Allerheiligsten an den Ort der Ölbergstunde ging der Priester allein an die "Zerstörung des Altars", wie dieser Vorgang auch tatsächlich genannt wurde. Er löschte die Kerzen und legte die Kerzenständer kreuz und quer auf den Altar, von dem er das Altartuch heruntergezogen hatte und es zerknüllt dort liegen ließ. Wenn das, was in diesen Tagen, Gründonnerstagabend und Karfreitag geschehen ist, das Letzte ist, dann brauchen wir diesen Altar nicht mehr. Wenn Jesus nur verraten, verhaftet und gekreuzigt wurde, wie wir es in diesen Tagen feiern, und wenn nichts weiter mit ihm geschehen wäre als nur dieses Leiden und dieser Tod, dann wäre jeder Gottesdienst, den wir hier feiern in der Tat sinnlos, ohne Sinn und Bedeutung.
Es wurde hier in einem vorkonziliaren Ritus deutlich, was das Konzil in der Liturgiereform wieder neu herausgestellt hat: daß mit dem Gründonnerstagabend das Osterfest beginnt, daß das Leiden Christi zu feiern nur Sinn macht, weil wir von der Botschaft des Ostermorgens wissen, und es nur für den Sinn macht, der die Osterbotschaft in sein Herz läßt. Und umgekehrt wird auch nur der Ostern wirklich verstehen, der sich auf die Feier des Leidens eingelassen hat, der sich in der Liturgie des Gründonnerstags und Karfreitags auf die tatsächliche Endgültigkeit von Verrat, Gewalt und Tod eingelassen hat.
Ich lade Sie ein, diese Wirklichkeit unseres Lebens als Menschen und Christen mitzufeiern, all unsere Sorgen und Leiden mit in diese Gottesdienste zu nehmen und sie am Ostermorgen vom Licht der Auferstehung bescheinen zu lassen.



(C) 2001 Heribert Ester