Palmsonntag:   
Randerscheinung   

Am Wegesrand stehen Menschen, die beobachten, was da vor sich geht. Sie sind gekommen oder sind einfach da, durch Zufall oder weil sie eine bestimmte Aufgabe zu erledigen hatten.
Sie hören, wie andere Menschen zusammenströmen, fast herbeilaufen, sich Worte zurufen, Neuigkeiten, Interessantes, von diesem Mann erzählen, der Lazarus aus seinem Grab herausgerufen hat. Er sei jetzt auf dem Weg nach Jerusalem, auf dem Weg in Gottes eigene Stadt.
Sie sehen, wie diese Menschen Zweige von den Bäumen reißen, wie sie ihre Kleider auf die Straße legen wie einen Teppich. Und sie hören, was diesem Mann zugerufen wird: Hosianna dem Sohne Davids! Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!
Erst noch ist es Staunen, das sie erfaßt. Unverständnis auch, doch dann spüren sie die Begeisterung, die aus diesen Worten klingt. Die Freude, die sich hier ausdrückt, das Leben, das hier um sich greift. Sie spüren, wie es nach ihnen greift, wie plötzlich ihr Mund sich zu Worten formt und sie das eine und andere Mal mitrufen, weil sie nicht mehr nur dabei stehen wollen, sondern dabei sein wollen, dazugehören wollen.
Die Begegnung am Wegesrand war für sie zunächst nur eine Randerscheinung, doch sie haben die Chance entdeckt. Und so wurde dieser Tag für sie zum Glücksfall. Für viele Menschen um uns wird die Liturgie der Kar- und Ostertage auch nur eine Randerscheinung sein. Aber die Art, wie wir Ostern feiern, könnte ansteckend wirken, wenn unser Osterfest eben nicht nur eine Randerscheinung unseres Lebens ist, sondern die Mitte unseres Glaubens.



(C) 2000 Heribert Ester